Pauli liest: Vom Glück des Vogelgesangs
Buchcover: Vom Glück einen Vogel am Gesang zu erkennen, Edel Books (Unbezahlte Werbung)
„Mein Frauchen hält den ganzen Spaziergang auf. Sie bleibt stehen, legt den Kopf schief, schaut nach oben: ‚Hörst du’s nicht, Pauli‘, sagt sie, ‚die Vögel geben ihr Frühlingskonzert!‘
Freunde, ehrlich!? Zum besseren Beobachten der Piepmätze will sie sich vielleicht sogar ein Fernglas zulegen. Schuld an den Hundenerven strapazierenden Stopps ist ein neues Buch.“
Glückshund Pauli liest
Mithilfe der Ohren kann man – auch während eines Spaziergangs in einem Stadtpark – etwas von seiner Naturfremdheit ablegen. Mithilfe der Ohren fühlt man sich selbst noch mehr als das, was man ist: Teil einer großen irdischen Lebensgesellschaft.“
Hunde nehmt euch in Acht: Das Buch „Vom Glück einen Vogel am Gesang zu erkennen“ hat das Potenzial, auch eure Herrchen und Frauchen beim Gassigehen zu Bremsern werden zu lassen. Vom „Schweep“ der Grünfinken über das „Tsida“ der Kohlmeisen bis zum legendären Lied der Nachtigall – „Sprache“ und Verhaltensweisen der heimischen Vogelarten will der mehrfach ausgezeichnete Autor und Journalist Simon Barnes seinen Lesern näherbringen. Schön und gut, aber ist dieses Thema vielleicht nicht doch ein bisschen laaangweilig? Nein, ist es nicht! Und wer sich auf dieses Buch einlässt, könnte beim nächsten Waldspaziergang sein lautes Wunder erleben: Dann nämlich, wenn die Laute der Singvögel in seinen Ohren fast schon zur Sinfonie anschwellen und er sich fragt, warum er urplötzlich über einen Vogel-Verstärker in seinem Kopf verfügt.
Die geschwätzigen Diskussionen der Saatkrähen, das miauende Klagen des Bussards, die heiter-melancholischen Flötensoli der Amseln – beileibe nicht leise sind die Töne, mit denen die gefiederten Arten auf ihre Anwesenheit hinweisen. Wie kann es sein, dass ich diese Töne vorher aus meinem Alltag derart ausgeblendet habe – mag sich mancher Leser dieses Buches verblüfft fragen?
Die Überzeugung, dass die Welt aufgeteilt sei in die Menschheit hier und in die Natur inklusive Tiere dort, spielt dabei eine Rolle. Und der Irrlaube, den die Menschheit dem Autor zufolge zunehmend verinnerlicht hat, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun habe. Wer den Vögeln lauscht, den beschleicht eher früher als später das Gefühl: So ist es nicht, wir sind immer noch mittendrin und ein Teil des Ganzen. Nachtigall oder Lerche – neben Shakespeare und vielen seiner Dichterkollegen fühlten sich auch
Musiker wie Wolfgang Amadeus Mozart vom Gesang der Vögel inspiriert.
In der Jetztzeit bietet uns Menschen die Konzentration auf den Gesang der Vögel eine wohltuende Auszeit vom allgegenwärtigen Krach und Stress unserer Umgebung, und: “Es wäre dumm, wenn wir angesichts der drängenden Probleme des 21. Jahrhunderts den Trost des Vogelgesangs (…) verschmähten, statt uns davon berühren zu lassen”, findet Simon Barnes.
Warnung: Vogellauschen kann süchtig machen – und glücklich
Um Achtsamkeit, um das genaue Hinhören und Hinschauen geht es also eigentlich in diesem Buch. Was den Suchtfaktor angeht, der sich daraus ergeben kann, so kann der Leser diesbezüglich zumindest nicht behaupten, er sei nicht gewarnt worden:
Ist man erst einmal zum Vogellauscher geworden, so prophezeit es der britische Autor, “wird Sie das Thema Vögel mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit den Rest Ihres Lebens begleiten.” Und: “Wer den Fitis erkennt, ist nicht mehr zu retten.”
Erarbeiten müssen sich die Vogelexperten in spe ihr Wissen selbst. Denn ohne den Vogel in seiner gewohnten Umgebung zu hören, fällt es selbst Vogelguru Barnes schwer, die Arten zu unterscheiden. Oft sind es gerade die Unscheinbarsten, die am spektakulärsten singen. Trällern sie ihr Lied hoch oben in den Bäumen, hat man ohne das von Pauli erwähnte Fernglas keine Chance sie zu sehen – da helfen auch die wunderschönen Illustrationen von Christopher Schmidt nicht, die das Buch ergänzen.
Der Spatz liebt die Nähe des Menschens.
Während unsere Vorfahren noch ganz selbstverständlich ihre gefiederten Nachbarn und deren Gesang zuordnen konnten, scheinen wir diesbezüglich mit zunehmender Blindheit und Taubheit geschlagen zu sein. Klein anfangen, lautet da die Devise, und auf verschütteten Wissensresten aufbauen. Der Spatz oder Haussperling zum Beispiel liebt die Nähe des Menschen und selbst in unseren betonierten Innenstädten ist er kaum zu übersehen. Hört man ihm bewusst zu, wird man sein Gepiepse und Gemeckere vielleicht bald heraushören und ihn so von anderen Vertretern aus der Familie der Sperlingsvögel wie der Blaumeise unterscheiden können. Wer es seine Erkenntnisse überprüfen will, kann sich immer noch Nachhilfe im Internet suchen, zum Beispiel auf den Seiten des NABU.
Blaumeise © Christopher Schmidt (oben); Grünfink © Christopher Schmidt (rechts)
Die Grundmechanismen des Lebens
„Wenn Sie einen Vogel von einem anderen unterscheiden können, dann ist das nicht so, als hätten Sie Ihrer Briefmarkensammlung eine weitere Briefmarke zugefügt. Sie verstehen und erkennen dadurch die Grundmechanismen des Lebens“, erklärt Simon Barnes den tieferen Sinn seiner Ausführungen. Sein Fazit: „Das Leben braucht Vielfalt und eine Vielzahl von Lebewesen.“ Unsere Herausforderung: Den Vögel und mit ihnen der gesamten nichtmenschlichen Welt ihre Chance aufs Überleben zu erhalten.
Neun erstaunliche Fakten über unsere gefiederten Nachbarn: Wusstet ihr, dass …
- vor allem die männlichen Vögel singen und es dabei um Leben und Tod geht? Es gilt, ein Revier zu gründen und zu verteidigen.
- es weltweit etwa 10.000 Vogelarten gibt und allein in Deutschland etwa 280 Arten ihre Lieder zwitschern?
- Vögel eine spezielle Kreisatmung haben, durch die die Feldlerche etwa schier endlos singen und fliegen kann?
- die Zugvögel nachts in ihre südlichen Winterquartiere fliegen und dabei die Fixsterne zum Navigieren nutzen?
- die Reise der Vögel, die Millionen von Jahren funktioniert hat, immer gefährlicher und strapaziöser wird, da Rastplätze, Brutplätze und Winterquartiere stetig weniger werden?
- die Turteltaube ebenso wie zahlreiche andere Vogelarten auf der Roten Liste stehen und vom Aussterben bedroht sind?
- die Saatkrähe immer zum Wohl der Gruppe handelt und sich zärtlich krächzend mit ihrem Partner verständigt, dem sie ein Leben lang treu bleibt?
- die Stare die großen Imitatoren unter den Vögeln sind und schon mal den Klingelton eines Handys oder Hundegebell in ihr Lied einbauen?
- sich Mozart, so heißt es, bei seinem Kammerstück KV 522, „Ein musikalischer Spaß“ vom Gesang eines Stares inspirieren ließ?
Simon Barnes: Pfeifen, Zwitschern, Tirilieren: Vom Glück einen Vogel am Gesang zu erkennen. Edel Books 2019, 272 Seiten, 17,95 Euro.
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